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Renate Weh

Renate Weh, Einsiebung: Ich, 1969, Fotografie, 48 x 67,5 cm
Renate Weh, Einsiebung: Ich, 1969, Fotografie, 48 x 67,5 cm

Renate Weh (*1938) machte sich in den 1960er und 1970er Jahren einen Namen als Aktionskünstlerin, insbesondere in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Sie zog sich jedoch Mitte der 1970er Jahre aus der Kunstszene zurück und ihr stringentes Werk geriet in den Folgejahrzehnten nahezu in Vergessenheit. 2022 übergab sie einen großen Teil ihres Œuvres an das Künstler:innenarchiv der Stiftung Kunstfonds, darunter frühe Collagen, amorph überformte skulpturale Arbeiten aus Wachs oder Sand, fotografische Dokumentationen, Textilobjekte und zahlreiche Ephemera.

Im Zentrum von Renate Wehs Arbeiten, die sich in drei zentrale Serien gliedern lassen, steht die Beschäftigung mit dem Thema Transformation. In den Ende der 1960er-Jahre entstandenen „Einsiebungen“ wird eine Person oder ein Objekt bis zur vollständigen Bedeckung mit Sand übersiebt. In diesem vom Zufall gesteuerten Prozess verschwindet etwa Bekanntes, eine neue plastische Form entsteht. Die eingesiebte Person erhebt sich nach der Aktion aus dem Sand und zerstört mit der Bewegung die gesiebte Form. Eingesiebte Objekte werden im Anschluss zerstört, dem Zerfall überlassen oder mit Wasser und Mowilith als gegenständliche Relikte fixiert.

1970 bedeckt Weh in ihrer Serie „Einkleidungen“ Menschen oder ihre einzelnen Körperteile mit von ihr angefertigten Kleidungsstücken, von Gelenk zu Gelenk, bis hin zur vollständigen Bewegungslosigkeit der Personen. Der umgekehrte Vorgang der „Auskleidung“ bringt Schritt für Schritt Bewegungsfreiheit und die natürliche Gestalt zurück.

In der ersten Hälfte der 1970er-Jahre folgt mit den „Eintauchungen“ die dritte und umfangreichste Werkserie Renate Wehs: Hier taucht sie Objekte, wie eine Puppe oder einen Kohlesack, dutzende Male hintereinander in heißes Wachs. An diesen bilden sich Tropfformationen, die sich dehnen, brechen und wieder neu entstehen. In der Gegenbewegung, den „Abtauchungen“, wird der Prozess durch das Eintauchen in heißes Wasser bei einigen wenigen Objekten wieder rückgängig gemacht. Die unterschiedlichen Stadien der Ein- und Abtauchung präsentiert sie als Serie direkt nebeneinander.

Viele von Renate Wehs Arbeiten entstanden als Teil von Kunstaktionen im öffentlichen Raum. Sie wurden meist fotografisch dokumentiert.

In der kurzen Spanne ihrer künstlerischen Sichtbarkeit war Renate Weh in zahlreichen Gruppenausstellungen vertreten, u.a. in der Kunsthalle Nürnberg (1967, 1970,1976), dem Kunstverein Hannover (1969), dem Museum Fridericianum in Kassel (1969) oder dem Wallraf-Richartz Museum, Köln (1974). Diese Schauen waren – wie auch ihre Einzelausstellung im Museum Folkwang (1973) – meist von ihren vielbeachteten Einsiebungsaktionen begleitet.

 

Kurzbiografie Renate Weh

  • Geboren 1938 in Augsburg
  • 1957-58: Besuch der Werkkunstschule in Augsburg
  • 1958-60: Besuch der Akademie der Bildenden Künste München (ohne Abschluss)
  • 1960-73: Tätigkeit als freischaffende bildende Künstlerin, insbesondere im Raum Augsburg und Nürnberg
  • 1969: Auszeichnung mit dem Wilhelm-Morgner-Preis für experimentelle Kunst der Stadt Soest für ihre Kunstaktionen der Einsiebungen
  • 1970-1975: Umzug nach Leverkusen, Fortsetzung der künstlerischen Arbeit in Nordrhein-Westfalen
  • Ab 1975: Rückzug aus der Kunstszene und dem Ausstellungsbetrieb, Ausbildung und Tätigkeit als Kunsttherapeutin